Karl August Lingner
(1861 -1916)
NAMENSGEBER UNSERER SCHULE
Odol-Mundwasser, Deutsches Hygienemuseum, Sächsisches Serumwerk, Lingnerschloss – Karl August Lingner hat Spuren hinterlassen in Dresden. Doch wer war dieser Mann, dessen Namen unser BSZ nun trägt?
Karl August Lingner wird am 21.12.1861 in Magdeburg geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung möchte er am Pariser Konservatorium Musik studieren, scheitert jedoch und kehrt 1885 nach Deutschland zurück. In Dresden findet er eine Anstellung als Werbekorrespondent in der Nähmaschinenfabrik Seidel & Naumann.
Zusammen mit dem Ingenieur Georg Wilhelm Kraft gründet Lingner dann 1888 die Firma „Lingner & Kraft“ in Dresden. Die Produktion in einer Gartenlaube auf der Wölfnitzstraße umfasst u. a. tintenresistente Stahllineale, Rückenkratzer, Stiefelzieher und Federreiniger. 1892 verlässt Kraft das Unternehmen. Der Chemiker Richard Seifert (1861-1919) bietet Lingner die Vermarktung eines Antiseptikums an und eröffnet ihm den Zugang zur modernen Bakteriologie. Da die Mundhöhle als die Haupteintrittspforte krankheitserregender Bakterien gilt, entschließt sich Lingner zur Herstellung eines Mundwassers. Mit der Herstellung des „Odol“ (odus Zahn und oleum Öl) kam Lingner dem Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach Schutz vor den unsichtbaren Bakterien nach, sein Produkt fand reißenden Absatz.
1892 folgte als zweites Unternehmen sein „Dresdener Chemisches Laboratorium Lingner“ (ab 1909 „Lingnerwerke AG“). Die Produktpalette umfasste neben pharmazeutischen Artikeln kosmetische Produkte, von denen neben „Odol“ v. a. das Shampoo „Pixavon“ berühmt wurden.
Die Produktion wuchs ständig, letztendlich wurde das Stammhaus der Lingner-Werke auf der Nossener Straße 2/4 etabliert und ein weltweites Fabrikations- und Betriebssystem aufgebaut. Lingner entwickelte mit Seifert Odol zu einer unverwechselbaren Marke und findet als Mitbegründer der Markenartikelindustrie und modernen Werbung Eingang in die allgemeine Industriegeschichte. Denn der geknickte Seitenhals macht die Odol-Flasche bis heute unverwechselbar. Mit landesweiten Anzeigen und Plakaten verschaffte er ab 1893 der bis dahin kaum beachteten Mund- und Zahnpflege große Popularität. Zudem kommt das Produkt zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt. Gesundheit und Hygiene sind das Zukunftsthema schlechthin: Gerade hat Robert Koch den Tuberkulose-Bazillus erforscht und an der Dresdner Technischen Universität ist ein Lehrstuhl für Hygiene eingerichtet worden. 1909-1911 wirkt Lingner außerdem an der Gründung der „Sächsischen Serumwerke AG“ mit, im Ersten Weltkrieg beliefert er die kämpfenden Truppen mit Heilsera.
Durch die Beschäftigung mit dem Desinfektionswesen seiner Zeit kam Lingner zum Studium der sozialhygienischen Literatur. Er erkannte die bestehende Unkenntnis der Bevölkerung bezüglichder Entstehung und Verbreitung von Erkrankungen und setzte in der Folge einen großen Teil seines Millionenvermögens für die hygienische Volksbelehrung und zur Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen ein. So war er 1897 an der Errichtung einer Kinderpoliklinik und eines Säuglingsheimes in Dresden-Johannstadt beteiligt, 1898 gründet er eine der ersten deutschen Säuglingsstationen in Dresden-Friedrichstadt, 1900 die Zentralstelle für Zahnhygiene. In den Jahren 1901/1902 ließ er die Öffentliche Zentralstelle für Desinfektion und eine Desinfektorenschule bauen sowie eine öffentliche Dresdner Lesehalle mit Bücherei einrichten.
Innerhalb weniger Jahre erwirtschaftet Lingner ein zweistelliges Millionenvermögen, das ihm einen fürstlichen Lebensstil ermöglicht. Nach dem König galt Lingner als zweitreichster Mann Dresdens. Die Villa Stockhausen in Dresden und das Schloss Tarasp in der Schweiz zählen zu seinem Immobilienbesitz, er ist Mitglied im elitären Kaiserlichen Motorjachtklub und fährt standesgemäß als Vorsitzender des Sächsischen Automobilklubs einen Mercedes. Und er wird leidenschaftlicher Zigarrenraucher.
Lingner war nie verheiratet, rauschende Feste, sein Orgelspiel, zwei uneheliche Kinder und „eigentümliche“ Männerfreundschaften bewirken Aufsehen und Bewunderung, aber auch Ablehnung, Neid und Missgunst.
Sowohl für die Deutsche Städte-Ausstellung 1903 als auch für die Internationale Hygiene- Ausstellung 1911 in Dresden ließ er eigene Hygiene-Ausstellungen erarbeiten. Zusammen mit namhaften Gelehrten bereitete er 1912 die Errichtung und Konzeption eines Deutschen Hygiene- Museums in Dresden vor, das dort jedoch erst lange nach seinem Tod 1930 eröffnet werden konnte. Die von Lingner entwickelte Ausstellungsmethodik macht ihn zugleich zum Vorreiter der modernen hygienischen Volksbelehrung. Die Stadt Dresden verlieh Karl August Lingner am 31.10.1911 in Anerkennung dieser Leistungen die Ehrenbürgerwürde.
Die testamentarisch begründete Lingner-Stiftung sicherte den Fortbestand seiner gemeinnützigen Einrichtungen. Seinen letzten Wohnsitz, die häufig auch Lingner-Schloss genannte Villa Stockhausen, vermachte er der Stadt Dresden „zum Besten der Bevölkerung von Dresden und Umgebung“.
Karl August Lingner stirbt am 5. Juni 1916 in Berlin im Alter von nur 54 Jahren an den Folgen einer Zungenkrebsoperation.
Igor Bastian